Mittwoch, 29. November 2017

Offene Ateliers im Franz. Viertel

Alle Jahre wieder, jeweils am 1. Advent, öffnen wir Künstlerinnen und Künstler des Französischen Viertels in Tübingen, unsere Ateliers für das geneigte Publikum.

Bei mir wird es diesmal Arbeiten auf Papier zu sehen geben, einen Teil meiner Arbeit, den ich bisher noch nie gezeigt habe. Um mich nicht in Kosten für neue Rahmen stürzen zu müssen, habe ich mir eine besondere Form der Präsentation überlegt. Sobald ich mit den Vorbereitungen weiter gekommen bin, werde ich hier eine Kostprobe davon posten.

Mein "Werk" ist über die Jahre doch recht umfangreich geworden, so dass ich mich freuen würde, wenn einige Blätter, am kommenden Sonntag, ihre Liebhaber*innen finden würden. Ich gehe davon aus, dass das Publikum, das sich für die Kunst von uns lokalen Künstler*innen interessiert, nicht mit üppigst gefüllten Brieftaschen ausgestattet ist, so dass sich meine Preise auf einem sehr erschwinglichen Niveau bewegen werden.

Ich freue mich auf viele interessierte und kunstbegeisterte Besucher!


Freitag, 10. November 2017

Peter Kerschgens Ideenspeicher

In der vergangenen Woche hatte ich das Vergnügen und die Ehre, für zwei Tage als Gast bei Peter Kerschgens und seiner Frau, der Künstlerin Astrid Karuna Feuser eingeladen zu sein. Das war in verschiedener Hinsicht ein wunderbares Erlebnis.

Zunächst einmal, bin ich selten so herzlich empfangen und so fürsorglich und großzügig bewirtet worden, obwohl es für uns drei die erste Begegnung miteinander war. Und dann gibt es dort natürlich das absolut beeindruckende Kunstarchiv-Peter-Kerschgens - mit dem Ideenspeicher.

Ca. 20 000 Zeichnungen haben sich im Laufe von knapp 40 Jahren Sammlertätigkeit dort eingefunden. Meterlange Regale füllen mittlerweile zwei mittelgroße Häuser, mit ordentlich abgelegten, alphabetisch sortierten Mappen. Einige Regale sind mit Holzrahmen bestückt, in denen die Zeichnungen der letzten Ausstellung verblieben sind. Es sind echte Perlen darunter.

Darüber hinaus befinden sich im Archiv, in verschiedene Sammelgebiete geordnet, an die 300 000 ebenfalls übersichtlich in eigens hergestellten Kästen archivierte Einladungskarten, des weiteren Kataloge von Künstlerinnen und Künstlern, bekannte und unbekannte Namen aus aller Welt.

So heißt denn auch das schöne Spiel, das uns eine Weile erheitert: "Nenn mal einen Namen!", und ich nenne einen. Peter überlegt kurz und geht zielstrebig auf ein Regal zu, öffnet eine Box und zieht mehrere Karten heraus. Selbst von mir findet er ein paar alte Einladungen von Ausstellungen, an die ich mich lange nicht erinnert habe. Auf welch verschlungenen Wegen sie dorthin gelangt sind, weiß der Himmel. Peter muss über ein unglaubliches, auch visuelles, Gedächtnis verfügen. Er weiß binnen Kurzem genau, wo sich etwas befindet. Absolut erstaunlich!

Was mich besonders freut ist, dass Peter wohl einer der wenigen Sammler ist, die allein auf die Qualität einer Arbeit achten und nicht darauf, ob es sich um einen bekannten Namen handelt oder eine Wertsteigerung absehbar ist.

Und ich freue mich sehr, nun auch mit 50 Blättern, aus verschiedenen Phasen, im Ideenspeicher vertreten zu sein!

Als Sahnehäubchen bekam ich auch Astrids space-ige Bilderwelt und ihre Pop-Up-Bücher im Original zu Gesicht. Ihre Werke sind unverwechselbar und eröffnen eine Welt in der Welt. Ihre Phantasie ist unerschöpflich und beim Betrachten vermittelt sich mir ihre Lust am Spiel mit Linien, Mustern, Materialien, aber vor allem am Erzählen von Geschichten. Hunger nach Bildern! Wie gut, dass er nie gestillt werden kann!


Dienstag, 7. November 2017

Manet in Wuppertal - Konstruierte Kunstgeschichte

Als wir uns, am vergangenen Freitag dem Von-der-Heydt Museum in Wuppertal näherten, sagte ich zu meinem Begleiter: Erstaunlich, dass sich die arme Stadt, bzw. das kleine Museum, solch eine teuere Ausstellung leisten kann. Schließlich weiß mittlerweile jeder, dass die Versicherungssummen und Transportkosten für die Megawerke der Kunst, von den Museen kaum noch zu bezahlen sind.

45 weniger bekannte Arbeiten Manets wurden letztlich zusammengestellt und von ca. 100 Zeichnungen und Gemälden seiner Zeitgenossen flankiert. Zwei seiner Hauptwerke, "Das Frühstück im Grünen" und "Olympia" wurden als hochwertige Kunstdrucke im Originalformat präsentiert. Was immerhin eine adäquate Möglichkeit darstellt und die Originale schützt. Obwohl die Schau den Anspruch erhebt, Ausschnitte aus dem gesamten Werk Manets zu präsentieren, fehlte mir ein wesentlicher Aspekt, nämlich Manets Interesse an den technischen Errungenschaften seiner Zeit, der überhaupt nicht erwähnt wurde.

Aus Neugier nahmen wir an einer Führung durch die Ausstellung teil, die von einer jungen Kunsthistorikerin geleitet wurde, die sich offensichtlich bemühte, aus der gebotenen Zusammenstellung einen sinnfälligen Zusammenhang zu konstruieren.

Die Gruppe aus ca. 20 Teilnehmer*innen, sog widerstandslos die Floskeln und kunsthistorischen Behauptungen auf, die mit mehr oder weniger Relevanz vorgetragen wurden. Neben dem "Helden" der Kunst, der mutiger und rücksichtsloser, individualistischer seine Position zu verteidigen weiß, muss es dann auch noch den "Vater" der Moderne geben, dessen Samen sich, wie aus einer heiligen Wolke, auf die nach ihm folgenden Künstler ergießt. Ohne den Vater der Moderne, keine moderne Kunst!

Aber wer war denn nun der Vater, der das 20. Jahrhundert voller künstlerischer Entdeckungen erst möglich gemacht hat? Nach meinem bescheidenen kunsthistorischen Wissen galt bislang Cézanne als das Asphaltier der Moderne. Es stellt sich aber heraus, dass auch Gauguin und Van Gogh Väter der Moderne sind. Und wenn man etwas tiefer in die Kiste greift, würde ich sogar sogar Frans Hals, mit seinem lockeren, expressiven Pinselstrich, als Vater der Moderne betrachten. Und Goya, nicht zu vergessen! Aber wozu brauchen wir dieses Denken in patriarchalen Familienstrukturen? Und wo sind die Söhne, Töchter und Mütter geblieben?


Edouard Manet, Im Père Lathuille

Besteht die Moderne etwa aus einer Kette von Morden, begangen von Söhnen an ihren Vätern, ihren Vorgängern, die ihnen doch den Weg erst bereitet haben? Söhne, keine Töchter, denn Frauen können laut Aussage von Gerhard Baselitz nicht gut malen und sind demnach für den Kunstmarkt wertlos. Hier ein Link zu einem sehr schönen Artikel dazu aus der F.A.Z.

So widerlich diese Behauptung auch ist, das Fünkchen Wahrheit in Baselitz, auch sich selbst entwürdigender Aussage, mag darin liegen, dass der Kunstmarkt Malerinnen nicht besonders schätzt, weil sie möglicherweise nicht aggressiv genug sind, um über ihre Vorgänger*innen triumphieren zu wollen. Damit erledigt sich das Heldentum von selbst, ein Heldentum, ohne dass die Kunstgeschichte nicht existieren und der Kunstmarkt seine Preise nicht erzielen kann.

Darum ist es auch keine Malerin, die gerade die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Kunstwelt anführt, sondern die Videokünstlerin Hito Steyerl! Es geht also doch, es gibt hin und wieder auch Heldinnen im Kunstbetrieb! Nur eben keine Malerinnen. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrtausends haben Künstlerinnen sich explizit mit neuen Formen der Kunst beschäftigt, insbesondere der Videokunst, weil sie damals schon begriffen haben, dass sie als Malerinnen nicht wahrgenommen werden und keine Wirkung erzielen.

Ich bin überzeugt, dass ein mutigerer, heldenhafterer Museumsdirektor eine weitaus spannendere Schau hätte zusammenstellen und die politischen und zeitrelevanten Aspekte in Manet's Werk unkonventioneller und sinnfälliger präsentieren können.

So hat für mich ein einfacher Museumsbesuch mal wieder zu Gedanken über Sinn und Unsinn in der Welt der Kunst geführt, insbesondere der von Künstlerinnen :-)