Dienstag, 5. Dezember 2017

Später Ruhm für Carmen Herrera

Als Greisin für den Kunstmarkt "entdeckt" zu werden, ist sicher besser, als nie entdeckt zu werden. So bleibt die 102 jährige Künstlerin Carmen Herrera wenigstens vor der Altersarmut verschont.

Bitte nicht falsch verstehen! Es ist großartig, dass es möglich ist, in hohem Alter noch die gebührende Ehre zu erleben, aber, wenn die Bilder von Carmen Herrera so großartig sind, dann waren sie das auch vor 20, 30, 40 und mehr Jahren, denn ihr Stil hat sich nicht wesentlich verändert. Warum wurde sie dann vorher nicht "entdeckt" und wertgeschätzt?

Zitat aus dem Kunstmagazin Art:

Doch als Herrera Mitte der fünfziger Jahre zur Blütezeit des abstrakten Expressionismus zurück nach New York zog, konnte sie keine Galerie finden, die an ihren Abstraktionen interessiert war. Dass sie eine Frau war und obendrein aus Lateinamerika stammt, machte es noch schwieriger. Es folgten die vor allem von Männern dominierte Pop Art, die Macho-Zeit der Minimalisten und die Konzeptkunst. Herrera, die ihrem Stil treu blieb, ging wie so viele andere Künstlerinnen im Erfolg ihrer männlichen Kollegen unter. Loewenthal, der 2000 im hohen Alter von 98 Jahren verstarb, machte es möglich, dass seine Frau weiter als Künstlerin arbeiten konnte.

Carmen Herrera hat in ihrem langen Leben ein umfangreiches Werk geschaffen. Und sie greift auch im Alter von 102 Jahren weiterhin zu Pinsel und Farben, weil sie Künstlerin ist, gehört die Malerei nicht nur zu ihrem Leben, es ist ihr Leben!

Dennoch stellt sich ein bitterer Geschmack bei dem Gedanken an den Hype um sie ein. Um die Kunstindustrie in Gang zu halten, bedarf es neuer Ware, die sich gut verkaufen lässt. Zu Diamanten auf dem Kunstmarkt werden Bilder aber nur, wenn sie von den "richtigen" Leuten, an den "richtigen" Orten angeboten werden.

In einem weiteren Artikel der Zeitschrift Art wird der Berliner Galerist Juerg Judin wie folgt zitiert:

Der Berliner Galerist Juerg Judin sieht hinter dem Erfolg der Kunstsenioren allerdings auch schnöde Marktinteressen. “Die Anschubkraft hinter der Wiederentdeckung eines Künstlers ist der Kunstmarkt, nicht ein Museum“, sagt er. So sei auch Carmen Herrera vor einigen Jahren “gezielt neu aufgestellt“ worden. Die meisten spektakulären Wiederentdeckungen auf dem Kunstmarkt der vergangenen Jahre seien auf den Kunstmarkt zurückzuführen, meint Judin. Die Galeristen hätten erkannt, dass die Neuauflage eines Künstlers einfacher und weniger risikoreich sei als einen jungen Künstler neu zu lancieren.

Die wiederentdeckten Künstler hätten bereits “einen Wert und ihren Platz in der Kunstgeschichte“. Es gehe nur noch darum, “sie zum Glänzen zu bringen». Dass sich Wiederentdeckungen so häuften, liege auch daran, “dass wir einen sehr großen Kunstmarkt und wachsenden Absatzmarkt haben“.

Carmen Herrera scheint mir ein selten dicker Fisch im Netz der Kunstfänger zu sein. Sie brauchen ihn nur noch mit etwas Geduld an Land zu ziehen, denn das Ende der Produktion ist absehbar und damit die Begrenzung des Angebots an Bildern. Die Preise werden dann steigen, und etliche Taschen füllen, denn laut "Volksmund" ist nur ein toter Künstler ein guter Künstler.

Man möge mir meinen Zynismus verzeihen, aber wer glaubt die Kunst sei frei irrt sich gewaltig. Und diese Lüge, an die so viele glauben, tut zumindest mir gelegentlich weh.

Auf jeden Fall wünsche ich der betagten Künstlerin weiterhin Elan und Schaffenskraft und noch viele erfüllte Lebensjahre!



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