Dienstag, 7. November 2017

Manet in Wuppertal - Konstruierte Kunstgeschichte

Als wir uns, am vergangenen Freitag dem Von-der-Heydt Museum in Wuppertal näherten, sagte ich zu meinem Begleiter: Erstaunlich, dass sich die arme Stadt, bzw. das kleine Museum, solch eine teuere Ausstellung leisten kann. Schließlich weiß mittlerweile jeder, dass die Versicherungssummen und Transportkosten für die Megawerke der Kunst, von den Museen kaum noch zu bezahlen sind.

45 weniger bekannte Arbeiten Manets wurden letztlich zusammengestellt und von ca. 100 Zeichnungen und Gemälden seiner Zeitgenossen flankiert. Zwei seiner Hauptwerke, "Das Frühstück im Grünen" und "Olympia" wurden als hochwertige Kunstdrucke im Originalformat präsentiert. Was immerhin eine adäquate Möglichkeit darstellt und die Originale schützt. Obwohl die Schau den Anspruch erhebt, Ausschnitte aus dem gesamten Werk Manets zu präsentieren, fehlte mir ein wesentlicher Aspekt, nämlich Manets Interesse an den technischen Errungenschaften seiner Zeit, der überhaupt nicht erwähnt wurde.

Aus Neugier nahmen wir an einer Führung durch die Ausstellung teil, die von einer jungen Kunsthistorikerin geleitet wurde, die sich offensichtlich bemühte, aus der gebotenen Zusammenstellung einen sinnfälligen Zusammenhang zu konstruieren.

Die Gruppe aus ca. 20 Teilnehmer*innen, sog widerstandslos die Floskeln und kunsthistorischen Behauptungen auf, die mit mehr oder weniger Relevanz vorgetragen wurden. Neben dem "Helden" der Kunst, der mutiger und rücksichtsloser, individualistischer seine Position zu verteidigen weiß, muss es dann auch noch den "Vater" der Moderne geben, dessen Samen sich, wie aus einer heiligen Wolke, auf die nach ihm folgenden Künstler ergießt. Ohne den Vater der Moderne, keine moderne Kunst!

Aber wer war denn nun der Vater, der das 20. Jahrhundert voller künstlerischer Entdeckungen erst möglich gemacht hat? Nach meinem bescheidenen kunsthistorischen Wissen galt bislang Cézanne als das Asphaltier der Moderne. Es stellt sich aber heraus, dass auch Gauguin und Van Gogh Väter der Moderne sind. Und wenn man etwas tiefer in die Kiste greift, würde ich sogar sogar Frans Hals, mit seinem lockeren, expressiven Pinselstrich, als Vater der Moderne betrachten. Und Goya, nicht zu vergessen! Aber wozu brauchen wir dieses Denken in patriarchalen Familienstrukturen? Und wo sind die Söhne, Töchter und Mütter geblieben?


Edouard Manet, Im Père Lathuille

Besteht die Moderne etwa aus einer Kette von Morden, begangen von Söhnen an ihren Vätern, ihren Vorgängern, die ihnen doch den Weg erst bereitet haben? Söhne, keine Töchter, denn Frauen können laut Aussage von Gerhard Baselitz nicht gut malen und sind demnach für den Kunstmarkt wertlos. Hier ein Link zu einem sehr schönen Artikel dazu aus der F.A.Z.

So widerlich diese Behauptung auch ist, das Fünkchen Wahrheit in Baselitz, auch sich selbst entwürdigender Aussage, mag darin liegen, dass der Kunstmarkt Malerinnen nicht besonders schätzt, weil sie möglicherweise nicht aggressiv genug sind, um über ihre Vorgänger*innen triumphieren zu wollen. Damit erledigt sich das Heldentum von selbst, ein Heldentum, ohne dass die Kunstgeschichte nicht existieren und der Kunstmarkt seine Preise nicht erzielen kann.

Darum ist es auch keine Malerin, die gerade die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Kunstwelt anführt, sondern die Videokünstlerin Hito Steyerl! Es geht also doch, es gibt hin und wieder auch Heldinnen im Kunstbetrieb! Nur eben keine Malerinnen. In den 70er Jahren des vergangenen Jahrtausends haben Künstlerinnen sich explizit mit neuen Formen der Kunst beschäftigt, insbesondere der Videokunst, weil sie damals schon begriffen haben, dass sie als Malerinnen nicht wahrgenommen werden und keine Wirkung erzielen.

Ich bin überzeugt, dass ein mutigerer, heldenhafterer Museumsdirektor eine weitaus spannendere Schau hätte zusammenstellen und die politischen und zeitrelevanten Aspekte in Manet's Werk unkonventioneller und sinnfälliger präsentieren können.

So hat für mich ein einfacher Museumsbesuch mal wieder zu Gedanken über Sinn und Unsinn in der Welt der Kunst geführt, insbesondere der von Künstlerinnen :-)

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